„Mhmm“ Die junge Schönheit suhlte sich noch eine Weile vor Lust auf der Decke. Dann klarten ihre Gedanken langsam auf. „Ich bin ja nackt!”, schrie sie mit schriller Stimme und bedeckte ihren makellosen Körper mit der Decke. Hektisch schaute sie in alle Richtungen. „Was mache ich hier? Ich wollte doch nur nach Birkenwall.“
„Du wurdest verschleppt“, sagte Solia.
„Was? Was habe ich denn getan? Bitte lasst mich einfach gehen!“
„Nein“, sagte Hamild mit erhobener Stimme. „Nicht wir haben dich verschleppt. Wir haben dich gerettet. Da waren zwei widerliche Typen, die dich betäubt und gefesselt haben. Wer weiß, was die vorhatten.“
Ihre Augen wanderten über den Boden, als sie nachdachte. Mit gerunzelter Stirn fragte sie dann: „Und woher weiß ich, dass ihr nicht einfach meine Entführer seid und einfach behauptet mich gerettet zu haben?“
Solia und Hamild schauten sich an.
Dann nahm Solia ihre Hand und sagte: „Du hast recht. Du hast keinen Grund uns zu vertrauen.“ Sie streichelte ihren Handrücken. „Aber ich kann dir versichern, dass da draußen zwei Männer auf der Suche nach einer vermeintlichen Hexe sind und ihre Kutsche zurückhaben wollen. Wenn du willst, kannst du hier absteigen und zu Fuß weitergehen. Oder du kommst mit uns. Es liegt ganz bei dir.“
„Welche Hexe?“, fragte sie dann. „Halten sie mich für eine Hexe?“
„Ganz genau. Und Birkenwall zahlt gut für Hexen.“
„Ich verstehe“, flüsterte die junge Frau. „Aber ich bin doch nur ein normales Mädchen.“
„Das ist den beiden Trotteln doch egal. Niemand weiß, was in deren Köpfen vorgeht. Wenn darin überhaupt irgendetwas vorgeht.“ Sie seufzte und dachte kurz nach. „Oh. Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich bin übrigens Solia”, sagte sie mit warmer Stimme und reichte ihr die Hand.
„Mein Name ist Ystani.“ Sie wischte sich ihre Hand an der Decke ab, als sie merkte, wie klebrig sie war. „Und eigentlich wollte ich nur nach Birkenwall, um mich dort in der Akademie anzumelden. Meine Mutter will nicht, dass ich genauso wie sie ende. Ohne Ausbildung bleibt mir nichts als in ihrem kleinen Laden, am Ende der Welt, darauf zu hoffen, dass eine Hand voll Händler Interesse an unseren Kräutern und Pilzen haben.“ Sie atmete tief durch und fuhr fort: „Aber nicht mal das habe ich hinbekommen. Also bitte, bitte, setzt mich einfach in Birkenwall ab. Von da an kann ich mich allein durchschlagen.“

„Das ist kein Problem“, sagte Hamild und nahm die Zügel in die Hand. „Wir werden dort aber nicht bei Nacht einreiten. Lasst uns ein unauffälliges Plätzchen suchen und dort morgen früh aufschlagen, wenn wir alle ausgeschlafen und erholt sind.“ Er führte die Kutsche ein paar Meter ab vom Weg, und fand ein ruhiges Plätzchen zwischen allerlei Bäumen und Gebüschen. Dort konnte sie zumindest bei Nacht niemand von der Straße aus sehen.

„Solia, weißt du eigentlich, wie wir von hier aus nach Birkenwall kommen? Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo wir eigentlich sind.“
„Ja, ich kenne den Weg. Das ist nicht das Problem. Wir sind nicht allzu weit vom Weg abgekommen.“
„Mhm. Gut. Aber was machen wir mit ihr?“, fragte er und zeigte auf Ystani. „Ich meine, selbst wenn wir sie sicher nach Birkenwall bringen. Was dann? Spätestens wenn sie wieder nach Hause will, werden die Typen sie finden.“
„Wir können uns nicht um alles kümmern. Wir setzen sie ab und kümmern uns erst mal um dein Problem.“
„Aber wir können sie doch nicht einfach…“
„Du willst sie mitnehmen, habe ich recht?“, unterbrach Solia ihn.
„Ich mache mir nur Sorgen. Und wenn wir auf dem Weg schon solcherlei Gestalten begegnen, was erwartet uns dann in Birkenwall? Du hast gesagt, dass sie ein Kopfgeld auf Hexen zahlen. Und, nur falls du es vergessen hast, du bist Eine.“
„Wir können jetzt auf keinen Fall umkehren. Hami, ich muss ehrlich mit dir sein. Ich bin auf der Suche nach deiner Frau. Sie muss in der Stadt sein“
Hamilds Augen wurden größer. „Du kennst sie?! Und weißt wo sie steckt?“
„Ja. Ich bin mir sicher, dass sie in der Stadt ist.“
„Wir müssen sie finden. Ich habe so viele Fragen… Aber warum suchst du sie eigentlich?“
„Nun, sagen wir mal aus geschäftlichen Gründen. Aber darüber können wir später noch reden, Hami. Schlaf jetzt. Wir brechen bei Sonnenaufgang auf.“

Der Wind wehte durch die blühenden Bäume, als die Drei von einem penetrant zwitschernden Vogel geweckt wurden.
„Verdammtes Mistvieh“, fluchte Solia und warf einen kleinen Stein in die Richtung, in der sie die kleine Nervensäge vermutete.
„Hey!“, rief Ystani aufgeregt. „Was soll das?! Ich bin keine Hexe!“
Solia schreckte auf, um nach ihr zu sehen und konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als die Kleine ihr den Stein vorwurfsvoll präsentierte.
„Tut mir leid. Der Stein galt dem Vogel.“ Sie ging auf sie zu und fing an ihren Körper nach einer Verletzung abzusuchen. „Ist alles in Ordnung?“
„Ja, alles in Ordnung.“
„Was machst du hier hinten eigentlich?“, wollte Solia wissen.
„Ich suche nur nach irgendwas Essbarem. Ein paar Nüsse und Kräuter habe ich gefunden. Aber nichts, wovon wir alle drei satt werden.“ Dann schaute sie an der Hexe herab und flüsterte: „Aber vielleicht…, vielleicht können wir das von gestern wiederholen?“ Sie ließ ihren Zeigefinger auf Solias Brust kreisen. „Deine Milch ist so süß und warm…“ Ystani fing an eine ihrer Brüste zu kneten. Gierig legte sie ihre Brustwarzen frei und begann daran zu saugen. Solia ließ sie einen Moment gewähren, jedoch unterbrach sie sie nach einigen Sekunden.
„Langsam, langsam. Nicht jetzt.“ Solia packte ihre Schulter, wies sie ab und schaute ihr misstrauisch in die Augen. „Eigentlich sollte der Fluch dich gar nicht mehr beeinflussen. Du solltest du gar kein Verlangen mehr haben.“
„Verlangen? Ich habe Hunger. Wie soll ich denn keinen Hunger mehr haben, wenn ich noch gar nichts gegessen habe? Und von was für einem Fluch redest du?“
Solia räusperte sich. „Ich meine…, du weißt schon. Sexuelles Verlangen.“
Ystani starrte sie mit großen runden Augen an. „Nein! Doch nicht. Oh je. Um Himmels Willen, nein!“ Beschämt schaute sie zu Boden und ging zurück zur Kutsche.
Hamild kam ihr entgegen und fragte: „Ist alles in Ordnung? Gab es Streit?“
„Schon gut“, antwortete sie und lud ihre Nüsse und Kräuter auf der Kutsche ab.
Hamild ging derweil weiter zu Solia. „Was ist denn passiert?!“ Sie dreht sich um und schaute ihn an.
„Nicht so wichtig. Das geht nur uns Frauen etwas an“, antwortete sie und zeigte dabei ein gequältes Lächeln.
„Du bist ja ganz blass“, stellte Hamild besorgt fest. „Komm’, lass uns zurückgehen.“ Er stützte sie und half der kraftlosen Hexe zurück. „Leg dich noch ein bisschen hin. Wir machen uns gleich auf den Weg nach Birkenwall. Da kann dir bestimmt geholfen werden.“
Solia legte sich auf die Ladefläche der Kutsche, wo Ystani es sich bereits bequem gemacht hat. Die Hexe legte sich mit ihrem Kopf auf ihren Schoß und ließ sich von ihr streicheln.
„Alle fertig?“, fragte Hamild in die Runde. Die Beiden Frauen nickten.

Sie näherten sich langsam dem riesigen Stadttor Birkenwalls. Von weitem konnte man schon erkennen, warum die Stadt ihren Namen trug. Über dem Steinwall, der sie komplett umgab, lugte die Krone einer prächtigen Birke hervor. Am Ende des Weges präsentierte sich ein riesiges Tor. Über diesem hing, eingelassen im Mauerwerk, eine kupferne Glocke. Zwei Wachen saßen links und rechts neben dem offenstehenden Tor und unterhielten sich.

„HALT!“, rief die Wache am Tor. Hamild erschrak. „W-was machen wir jetzt Solia? Was, wenn du uns gar nicht reinlassen?“
„Psst. Mach dir nicht ins Hemd, das sind reine Formalitäten.“
Die Kutsche kam zum Stehen.
„Willkommen, Reisende! Ihr wollt nach Birkenwall, wollt ihr?“
„Ja, drei Personen, keine Ware“, antwortete Solia trocken.
„Gut, dann hier einmal die Formulare ausfüllen. Dann kann’s auch gleich weitergehen, versteht ihr?“
„J-ja. Glaub schon“, antwortete Hamild und nahm die drei Formulare entgegen.
„Und das Datum nicht vergessen, ok?“, sagte die Wachfrau auf der anderen Seite der Kutsche. Sie lief einmal um das Gespann und beäugte es oberflächlich. „Kommt mir irgendwie bekannt vor. Sieht aus wie Derkks Kiste“, sagte sie, nachdem sie ihre Runde beendet hatte. „Hmm. Auch der Gaul…“
Solia und Hamild schauten sich verunsichert an, während sie beim Versuch sich nichts anmerken zu lassen weiter die Formulare ausfüllten.
„Aber schau dir die Drei doch mal an, siehst du?“, flüsterte der Wachmann. „Haha, als würden die Derkk die Kutsche abnehmen können.“ Seine Kollegin fing ebenfalls an zu lachen.

Zwischen dem Gelächter flüsterte Solia: „Hami, beeil dich. Ich fühl mich so leer.“
„Großer, was ist los mit deiner Süßen? Schlecht gegessen?“
Solia schloss die Augen und lehnte kraftlos an Hamilds Schulter, bevor sie beinahe vornüberfiel. Doch er hatte sie noch rechtzeitig auffangen können.
„Ja, ähm, war eine lange R-reise. W-w-wenig geschlafen u-u-nd…“
„Schon gut. Kümmer dich um sie. Wenn ihr jetzt reinkommt, folgt der Hauptstraße bis zur großen Birke. Seht ihr dann schon. Da findet ihr Dr. Alfred. Ist ein Guter. Falls ihr Hilfe braucht.“ Er nahm die Formulare und las beim Überfliegen die Namen laut vor. „Hamild. Mhm. Ok. Solia. Aha.“ Er blätterte weiter. „Und du bist Y-sta-ni. Komischer Name.“ Er schaute von seinen Papieren auf und betrachtete die Kleine.
„Ja, das bin ich“, antwortete Ystani.
Er ging einen Schritt auf sie zu und sah nun ihre provisorische Kleidung. „Warte mal. So willst du in die Stadt, willst du?“ Seine Kollegin stellte sich hinter ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Ist ne Schöne. Nicht wahr“, sagte die Wachfrau.
„Fällt dir nicht auf?“
„Was?“
Hamilds Herz schlug schneller. Er versuchte Solia unauffällig wachzurütteln. Aber nun blieb ihm nichts als abzuwarten.
„Schau sie dir mal an.“ Sie ging auf Ystani zu. „Die beiden da vorne tragen vernünftige Sachen. Sie aber hat einen Kartoffelsack mit nem Seil drum.
Er legte seine Hand auf ihre nackten Füße. „Nicht mal Schuhe hat sie. Komisch, oder nicht?“
„Ja“, antwortete sie und fasste sie ebenfalls an. „Fühl mal. Das ist nichts Wertiges, ist es?“
„Sag mal, Kleine. Du willst freiwillig nach Birkenwall, ja?“, fragte der Wachmann besorgt.
„Ja. Ich will auf die Akademie“, sagte sie und zog ihr Bein weg.
„Auf die Akadmie will sie, hörst du?“, sagte er.
„Ich stehe direkt neben dir.“
„Sie ist wirklich von umwerfender Schönheit.“
Ystani fühlte sich sichtlich unwohl. Hamild, der die Situation von vorn beobachtete, ging es nicht besser. Niemand war sicher vor seinem Fluch. Außer Solia.
„Dürfen wir jetzt rein, oder nicht?“, drängelte Hamild. „Meine Freundin hier braucht dringend Hilfe.“
„Ihr dürft passieren, wir haben jetzt besseres zu tun“, rief die Wachfrau mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Haben wir das?“ Ihr Kollege schaute ihr erwartungsvoll in die Augen.
„Ja“, sagte sie lächelnd. „Wir kennen uns schon so lang, aber ich habe mich nie getraut es zu sagen.“
Er umarmte sie und fing an sie zu küssen.

„Danke, schönen Tag noch“, rief Hamild und wies das Pferd an das Tor zu passieren.