Hamild schnupperte die Frische Morgenbriese, die vom Fenster in sein kleines Zimmer zog. Er lauschte noch für einen Moment den fröhlichen Gesängen der Vögel, die draußen in den Bäumen saßen, bevor er seine Augen öffnete. Ein beruhigender Hauch von Lavendel schlich sich in seine Nase, als er sein Zimmer zum ersten Mal bei Tageslicht betrachtete. Es dauerte ein paar Sekunden, bis ihm die vergangene Nacht wieder ins Gedächtnis kam. Er genoss die Ruhe, bis diese von einem lauten Japsen aus dem Nebenzimmer unterbrochen wurde. „Lessa?!”, sagte er erschrocken. Wieder quietschte ihre Stimme aus dem Nebenzimmer. Er wollte gerade aus dem Bett springen, um ihr zur Hilfe zu eilen, da spürte er eine Hand an seiner Schulter, die ihn davon abhielt.
„Keine Sorge, mein Kleiner. Ihr geht es mehr als gut. Nur hat sie zurzeit weder ein zu Hause, in dem sie willkommen ist, noch Geld. Aber eine süße enge Muschi, die vielerorts ein anerkanntes Zahlungsmittel ist. Mal ganz von ihren zauberhaften Titten abgesehen…, ich schweife ab. Aber irgendwie muss sie ja ihr Zimmer bezahlen.“ Solia bemerkte Hamilds erschrockenen Gesichtsausdruck. „Was ist denn los? Hat es dir die Sprache verschlagen? Du dachtest wohl, dass ich dich mit deiner kleinen Prinzessin allein lasse. Sie hat ein Auge auf dich geworfen. Und wären da nicht die Flüche, die auf dir Lasten, dann würde sie jetzt vermutlich ihrem Freund mit dir untreu werden. Du hättest dabei sogar deinen Spaß haben können. Aber du Jammerlappen musstest ja unbedingt zu mir kommen.“ Sie lachte herzhaft.
„Warum lässt du mich nicht in Ruhe?!«, fragte Hamild erzürnt.
„Ich hab’ dir doch was versprochen. Du wolltest meine Hilfe. Und ich helfe dir, wo ich kann. Ich will nur sichergehen, dass du nicht einfach wieder zurück in dein müffelndes Haus gehst, um dort weiter zu versauern.” Sie ließ ihn wieder los, als er sich zurück ins Bett fallen ließ. „Ich weiß, dass dich ihr Antlitz in den Bann gezogen hat. Ich kann spüren, wie es dich innerlich auffrisst, dass der schmuddelige Wirt die bezaubernde junge Schönheit fickt, und sie es auch noch in vollen Zügen genießt. Sie weiß nichts von deinem Fluch, aber er. Sengo nutzt sein Glück schamlos aus. Und vertraue mir, mein kleiner Trottel, sie würde dir die Geschichte mit dem Fluch auch nicht abkaufen. Was sie aber glaubt ist, dass du ein Schlappschwanz bist. Ein süßer Schlappschwanz“, erklärte sie, während sie sich am Fenster ihr langes rotes Haar bürstete. „Und außerdem entzückt mich dein Leid. Da kann ich mir das doch nicht entgehen lassen.“ Ihre fröhliche Stimme machte ihm Angst.
Hamild starrte stumm an die Decke. Er suchte nach einer Lösung. Am liebsten würde er sich einfach wieder in seiner Hütte zurückziehen und Bücher lesen. So wie es Solia vermutete. Er hatte allerdings die Befürchtung, dass die kleine Hexe ihm keine Ruhe lassen würde, ehe er nicht tut, was sie ihm auftrug.
„Eine Sache noch, Solia.“
„Ja, Schatz? Was kann ich für dich tun?“, fragte sie mit gespielt lieblicher Stimme. Sie legte ihre Haarbürste auf dem Fensterbrett ab und wandte sich zu ihm.
„Warum sagst du mir nicht einfach, was mich dort erwartet? Und warum hast du mich mit einem weiteren Fluch belegt, und…“
„Pssst, mein Kleiner“, sagte sie, bevor sie ihre Lippen auf seine presste und ihn damit zum schweigen brachte.
JA SENGO, FESTER! Lessa war nicht zu überhören. Begleitet von einem rhythmischen Poltern. Hamild schaute besorgt an die Wand.
„Erstens; Ich habe dich nicht verflucht. Ich habe mir nur genommen, was mir zusteht. Und du hast zugestimmt. Das ist kein Fluch, Hami. Sieh es als Pakt. Einen Pakt, den nur ich auflösen kann.“
„Aber warum? Was ist an mir besonders?“
„Spielt das 'Warum' wirklich eine Rolle? Ich weiß, wie du deinen Fluch wieder loswirst. Und ich weiß auch, dass du dafür in die Stadt musst. Vor allem weiß ich, dass du seit gestern mir gehörst. Und ich finde, dass du, als mein Eigentum, jetzt langsam die Klappe halten solltest. Es ist ein Geben und Nehmen. Ich tu dir einen Gefallen, du tust mir einen Gefallen.”
„Und was für einen Gefallen tue ich dir?”
„Halt doch jetzt mal die Klappe!“, befahl sie wütend. „Du wirst das alles noch herausfinden. So viel kann ich dir versprechen. Jetzt müssen wir uns erst mal darauf konzentrieren in die Stadt zu kommen. Und wenn dir das Wohl von Lessa am Herzen liegt, solltest du jetzt von hier verschwinden. Die beiden werden sich sonst noch die Seele aus dem Leib ficken.“
„Was hat das mit mir zu tun?“
„Dein Fluch, du Idiot!“, sagte sie genervt und verdrehte die Augen. „Die Wirkung wird mit der Zeit nur stärker.“
Nachdem er sich fertig gemacht hatte, schlich er sich aus seinem Zimmer. Er wollte die beiden im Nebenzimmer nicht stören. Vielmehr aber wollte er Lessa nicht in diesem Zustand sehen. Als sie in der Taverne standen, ging Hamild hinter den Tresen und suchte ein paar Wasserflaschen, die er mit auf seine Reise nehmen konnte. Und er wurde schnell fündig. Er steckte zwei Stück in seinen Rucksack und schaute sich nach weiteren Dingen um, die er gebrauchen könnte.
„Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er dir das erlaubt hat”, sagte Solia.
„Die wird er schon nicht vermissen.” Im gleichen Moment schnappte er sich noch ein paar essbare Dinge, und stopfte sie ebenfalls in seinen Rucksack. „Ich werde ihm das alles bezahlen, wenn ich wiederkomme. Das ist schon in Ordnung.”
„'Wenn' du wiederkommst.” Solia lachte leise.
Auf dem Tresen lag noch ein Schreibblock. Er schrieb Sengo eine kurze Nachricht, legte seinen Zimmerschlüssel darauf und ging mit Solia vor die Tür.
Lieber Sengo,
danke für deine Hilfe. Was du für mich getan hast, weiß ich sehr zu schätzen. Leider hast du mir keine Rechnung geschrieben, daher muss ich wohl später zahlen. Tut mir leid.
-Hamild
In Wahrheit wollte er nicht zugeben, dass er kein Geld hatte. Er war aber fest entschlossen ihm seine Dienstleistungen zu bezahlen, sobald er zurück ist.
Er ging mit Solia zur Weggabelung, an der er Lessa zum ersten Mal traf. Doch statt der wunderschönen Frau, mit den braunen Haaren, fiel ihm nun der Wegweiser ins Auge. Daran waren Schilder in vier Richtungen angebracht. Auf dem größten prankte ein großes 'N'. Die anderen waren verrottet und unlesbar.
Solia deute darauf und sagte: „Birkenwall befindet sich östlich von hier.”
„Birkenwall?!”
„Ja, so heißt die Stadt. Wusstest du das nicht?”
„Alle haben immer nur von davon gesprochen, dass es eine Stadt ist.”
„Tja, hättest du mich einfach mal gefragt, Dummerchen.” Sie klopfte ihm auf die Schulter. „Aber jetzt trennen sich unsere Wege erst Mal. Ich habe noch etwas zu erledigen. Wenn du mich brauchst, werde ich da sein“, sagte Solia, bevor sie verschwand. Sein Blick wanderte in alle Richtungen. Sie war weg.
Bevor er dem Weg folgte, prüfte er noch mal den Inhalt seines Rucksacks. Seine beiden Wasserflaschen schienen dicht zu halten. Es wäre fatal, wenn ihm unterwegs das Wasser auslaufen würde. Zumal er sich nicht einmal sicher war, wie lang die Reise dauern würde. Er nahm noch einen Schluck, steckte den Korken wieder in den Hals der Flasche und schnürte seinen Stoffrucksack fest zu. Eine kühle Brise wehte über sein Gesicht, als sein Blick dem Pfad folgte, der vor ihm lag. Bis zum Horizont nichts als ein paar Bäume, die den Weg zierten. Er wollte das Abenteuer, neue Impressionen und vor allem wollte er endlich ein normales Leben führen können. Selbst hatte er zwar noch keine Vorstellung davon, wie ein normales Leben für ihn aussehen soll, doch er wollte zumindest die Möglichkeit dazu haben. Also holte er tief Luft und machte mit stolz geschwollener Brust den ersten Schritt.
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